Silke Lienert empfiehlt „Im Schnee“ von Tommie Goerz:“Eigentlich wollte ich ja nichts mehr von Schnee und Winter wissen, aber an dem schönen Buchcover kam ich einfach nicht vorbei. Zum Glück!
Ein Dorf im Schnee. Der alte Max am Fenster seines kleinen Häuschens, irgendwo im fränkischen Fichtelgebirge. Eine Totenglocke, die läutet. Sie erklingt für den Schorsch, seinen Freund. Obwohl, “Freund“, ist Schorsch sein “Freund“ gewesen? Man kannte sich halt, eigentlich schon seit immer, man hat viel Zeit miteinander verbracht. Und obwohl die Verstorbenen heute immer gleich abtransportiert werden, weil man’s mit den Toten halt nicht mehr aushält, kommt man beim Schorsch, noch ganz wie früher, zur Totenwacht zusammen. Erst die Männer bis Mitternacht, dann die Frauen bis zum Morgen. Man erzählt sich Geschichten, man trinkt und isst ein bisschen und man schweigt zusammen.
Und in diesem so intimen Rahmen erfahren wir Leser vom Dorf: im Kreis gebaut, nicht eines hin offen zum Nachbarn und alle mit dem Rücken zum Land außenherum, mit dem Gesicht nach innen, wie eine Wagenburg. Und wir lernen seine Leute kennen, im Wirtshaus oder bei der gemeinsamen Arbeit, aber auch im Umgang mit den Neubürgern zum Beispiel, die schon seit über 30 Jahren immer noch so heißen, weil sie einfach nicht dazugehören. Wir lesen von schlimmen, aber auch tröstlichen Geschichten aus der Dorfgemeinschaft, die ganz ruhig erzählt werden. Weder verklärend noch wehleidig. Und so wie der fallende Schnee draußen die Welt leiser werden lässt, macht sich auch bei mir als Leser eine wunderbare Ruhe breit. Und genau wie beim Max im Roman, schweifen auch meine Gedanken nach dem Lesen immer wieder mal ab und lassen mich über den Verlust von wegbrechenden alten Traditionen sinnieren.
Ein stilles Buch, ein wunderbares Buch!“